Die Entwicklung der Strafgesetzgebung in der Republik Lettland

AuthorUldis Krastinš
Pages68-72

Uldis Krastinš

Die Entwicklung der Strafgesetzgebung in der Republik Lettland

Am 17. Juni 1998 hat das lettische Parlament ein neues Strafgesetzbuch verabschiedet, das der Präsident am 8. Juli 1998 verkündet hat1. Das Gesetz ist am 1. April 1999 in Kraft getreten.

Die Verabschiedung des neuen Strafgesetzbuches bedeutete für die Entwicklung des Strafrechts in Lettland eine neue Epoche. In dem vorliegenden Beitrag werden der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches und derjenige des lettischen Kriminalkodexes aus dem Jahr 1961 vergleichend analysiert, wobei der Schwerpunkt auf die neuen Lösungen des Strafgesetzbuches gelegt wird.

1. Allgemeine Bestimmungen

In den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches sind diejenigen Paragraphen nicht übernommen worden, die im alten Gesetz die Aufgaben der Strafgesetzgebung behandelt haben, wie die Begriffe des besonders gefährlichen Rückfälligen und die Aufschiebung der Strafvollstreckung. Gleichfalls sind diejenigen Paragraphen weggelassen worden, die Strafen wie die zwangsweise Umsiedlung, Ausweisung, Entlassung aus dem Amt und den öffentlichen Tadel vorgesehen haben.

Das Strafgesetzbuch beginnt mit § 1, wo eine Definition der Grundlagen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit geliefert wird. Der Paragraph bestimmt:

"Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit und zur Bestrafung wird nur herangezogen, wer wegen der Begehung einer Straftat schuldig ist. Dies bedeutet, dass eine Tat, die einen Tatbestand erfüllt und die im Strafgesetzbuch vorgesehen ist, vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein muss."

Wie hieraus deutlich wird, enthalten die Grundlagen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht den Hinweis auf die Gemeingefährlichkeit als eine zu sehr subjektive und von einer individuellen Einschätzung abhängige Erscheinung. Im Strafgesetzbuch wird konsequent betont, dass objektives Kriterium einer Straftat der Schaden ist, der bei einem durch das Gesetz geschützten Rechtsgut eingetreten ist. Bei der Begriffsbestimmung wird darauf verwiesen, dass nur ein Straftatbestand, der im Strafgesetzbuch vorgesehen ist, als Grundlage für die strafrechtliche Verantwortlichkeit dienen kann.

Paragraph 5 bestimmt nach wie vor, dass dasjenige Gesetz Strafbarkeit und Bestrafung bestimmt, das zum Zeitpunkt der Begehung einer Tat gegolten hat. Eine rückwirkende Geltung kommt nur bei einem Gesetz in Betracht, das eine Strafbarkeit aufhebt, die Strafe erleichtert oder in anderer Weise zugunsten eines Täters wirkt, soweit nicht durch Gesetz ein anderes bestimmt ist.

2. Der Begriff der Straftat

Der zweite Abschnitt beginnt mit Paragraph 6, der den Begriff der Straftat liefert. Unter einer Straftat wird ein Tun oder Unterlassen verstanden, das in vorsätzlicher oder fahrlässiger Form verwirklicht werden kann. Dieses muss im Strafgesetzbuch enthalten und mit einer Strafe bedroht sein. Der zweite Absatz der Vorschrift bestimmt, dass es sich bei einem Tun oder Unterlassen, das zwar die Tatbestandsmerkmale einer Straftat erfüllt und im Strafgesetzbuch vorgesehen ist, dann nicht um eine Straftat handelt, wenn ein die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließender Umstand gegeben ist. Die Vorschrift enthält keine unbestimmten und subjektiver Einschätzung unterliegenden Merkmale mehr wie die geringe Bedeutung einer Tat. Anstelle dessen kann nach § 58 von der Heranziehung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen werden, wenn eine Tat zwar Tatbestandsmerkmale aufweist, durch die Tat aber kein solcher Schaden entstanden ist, der die Auferlegung einer Strafe verlangt.

Das Strafgesetzbuch enthält eine Unterteilung von Straftaten (§ 7).Nach dieser Bestimmung wird zwischen Vergehen und Verbrechen unterschieden. Um ein Vergehen handelt es sich, wenn im Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren oder eine geringere Strafe vorgesehen ist.

Verbrechen unterteilen sich in weniger schwere, schwere sowie besonders schwere Straftaten. Grundlage für die Klassifikation von Straftaten ist die maximale Dauer einer Freiheitsstrafe, die als Sanktion bei den Vorschriften des Besonderen Teils vorgesehen ist. Zum Beispiel ist ein schweres Verbrechen eine vorsätzliche Tat, die das Strafgesetzbuch mit einem Freiheitsentzug von fünf bis zehn Jahren bedroht. Eine solche Einteilung der Straftaten ermöglicht es, einige Fragen des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts differenzierter zu lösen. Der alte Kriminalkodex hat nur den Begriff des schweren Verbrechens enthalten.

Bei den Schuldformen enthält das neue Strafgesetzbuch keine wesentlichen Änderungen (§§ 8-10). Es gelten zwei Schuldformen: Vorsatz und Fahrlässigkeit2. In einem gesonderten Absatz ist bestimmt, dass eine Tat dann nicht strafrechtlich...

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