Carl Schmidt und die ersten juristischen Fachzeitschriften in Schweden: Juridiskt Arkif und Juridiska Föreningens Tidskrift - Foren für die schwedischen rechtswissenschaftliche Diskurse des 19. Jahrhunderts

AuthorKjell Åke Modéer
PositionProf. Dr. jur., Dr. h.c. mult. Universität Lund
Pages40-44
I

Bereits wenige Jahre nach Gründung der Historischen Rechtsschule und dem Erscheinen der von Friedrich Carl von Savigny u.a. herausgegebenen Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815-1850) wurde in Schweden das Bedürfnis nach einer Erhöhung des rechtswissenschaftlichen Standards immer dringlicher. Zwei junge schwedische Juristen, die Rechtshistoriker H. Samuel Collin und Carl Johan Schlyter (beide Schüler von Johan Holmbergson in Lund, Juraprofessor und Herausgeber der quellentreuen Edition der schwedischen Gesetze des Mittelalters) beschrieben im ersten Band der von Mittermaier und Zachariae veröffentlichten, international orientierten Kritischen Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes (1829-1856) den schlechten, "beklagenswerten" Zustand der schwedischen Rechtswissenschaft. "Bei sehr vielen der practischen Beamten liegt eine Nichtachtung der Gelehrsamkeit und gründlichen Bildung vor, und bei den meisten Gerichtsbeschlüssen ein gänzlicher Mangel jeder tieferen juristischen Einsicht als der, die durch den Schlendrian zu erlangen ist. Das sind Früchte, an denen man die zuvor beschriebene vertrocknete Wurzel unfehlbar wieder erkennen muss." 1

Bereits im darauffolgenden Jahr (1830) kam es zur Gründung der ersten schwedischen Juristenzeitschrift, Juridiskt Arkif. Gründer der Zeitschrift war der am südschwedischen Hofgericht für Schonen und Blekinge (errichtet 1821) in Kristianstad tätige Hofgerichtsassessor Carl Schmidt. Mit Schmidt als Redakteur und Herausgeber erschien Juridiskt Arkif von 1830 bis 1862 in 34 Bänden. Schmidt, der dem einflussreichen Kreis liberaler und reformorientierter Juristen angehörte, war zweifellos einer der bedeutendsten schwedischen Juristen seiner Generation.

Aus Anlass seiner Berufung an den Obersten Gerichtshof ging Schmidt im Jahre 1845 nach Stockholm, wo er seine Tätigkeit als Redakteur fortsetzte. Er wurde noch im selben Jahr (1845) Mitglied der Gesetzgebungskommission, der es oblag, die neue schwedische Kodifikation auszuarbeiten.

Darüber hinaus war Schmidt auch an der Gründung des schwedischen Juristenvereins, Juridiska Föreningen, aktiv beteiligt. Dieser Verein ist ein gutes Beispiel für ein im Entstehen begriffenes, interaktives und dynamisches juristisches Milieu. Schmidt war Herausgeber der Zeitschrift dieses Vereins, Juridiska Föreningens Tidskrift, die von 1850 bis 1862 erschien.

Alles in allem war Carl Schmidt einer der bedeutendsten Vermittler juristischen Wissens im Schweden des 19. Jahrhunderts. Seine Tätigkeit mit den von ihm selbst herausgegebenen Zeitschriften bildete den Kernpunkt eines wichtigen Netzwerkes für die radikalen bzw. reformorientierten Juristen der damaligen Zeit.

II

Carl Schmidt entstammte einer Juristenfamilie. Im Jahre 1792 als Sohn eines Richters am Göta Hofgericht (Appellationsgericht) in Jönköping geboren, studierte er an der Universität Lund und gehörte zur ersten Generation Studenten des bereits erwähnten Juraprofessors Johan Holmbergson.

Holmbergson verdient in diesem Zusammenhang ganz besonders hervorgehoben zu werden. 1764 geboren, studierte er Jura in Uppsala und war auch involviert in die rechtlichen Folgen des unblutigen Staatsstreichs von 1809 sowie in das Zustandekommen der schwedischen Verfassung in Stockholm. Nach der Verfassungsgründung war er als Sekretär der Gesetzgebungskommission des Reichstags tätig. Im Jahre 1811 wurde er dann Professor in Lund. In einem über ihn erschienenen Nekrolog (1842) wurde metaphorisch folgendes zum Ausdruck gebracht: "Als Holmbergson Uppsala verließ, erloschen die Leuchter der Rechtswissenschaft in Uppsala, um in Lund wieder entzündet zu werden." Holmbergsons Tätigkeit war ein wichtiger Katalysator für die moderne schwedische Rechtswissenschaft: viele seiner Studenten bezeugten seine charismatische Persönlichkeit und seine Rolle als Förderer einer jungen, rechtswissenschaftlich orientierten Studentengeneration.

Carl Schmidt gehörte zusammen mit Collin und Schlyter zu dieser ersten Generation rechtswissenschaftlich bewusster Jurastudenten. Seine Initiative zur Gründung einer juristischen Fachzeitschrift in Schweden hing offenbar mit dem von Collin und Schlyter veröffentlichten kritischen Artikel eng zusammen.

Nach Beendigung seiner juristischen Ausbildung begann Carl Schmidt seine Juristenkarriere am Göta-Hofgericht. Als 1821 in Kristianstad ein neues Hofgericht für Schonen und Blekinge (Südschweden) eingerichtet wurde, suchte und erhielt er dort eine Richterstelle und avancierte schließlich zum Hofgerichtsrat. Er blieb in Kristianstad bis 1845, also bis zu seiner Berufung zum Mitglied des Obersten Gerichtshofes in Stockholm.

In den ca. 25 Jahren, die er in Kristianstad verbrachte, gehörte Schmidt zur Gruppe reformliberaler Juristen. Neben seiner Tätigkeit als Richter fand er die Zeit, zusammen mit einigen Freunden einen Buchverlag und eine Buchdruckerei, C. Schmidt & Co., zu gründen (1830). Der Buchverlag spezialisierte sich auf sogenannte Bildungsromane - nicht nur in schwedischer Sprache, sondern auch in mehreren Fremdsprachen. Innerhalb dieses Verlages gründete Schmidt noch im selben Jahr (1830) seine juristische Fachzeitschrift, Juridiskt Arkif.

Carl Schmidt hatte offensichtlich hohe Ambitionen mit seiner Zeitschrift, und er fand seine Vorbilder in der Unmenge an deutschen Fachzeitschriften. Die Titelseite seiner Zeitschrift war mit einer Vignette geschmückt, die er vermutlich von der deutschen rechtswissenschaftlichen Zeitschrift Juristische Zeitung für das Königreich Hannover (erschienen ab 1826) übernommen hatte. Die Vignette zeigte das Auge des Gesetzes mit den Symbolen der Gerechtigkeit, der Waage und dem Schwert, verkreuzt mit Gesetzestafel und Olivenzweig2. Diese deutsche Zeitschrift wurde auch in der von Schmidt im ersten Band publizierten Bibliographie juristischer Fachzeitschriften erwähnt. Eine international orientierte Jahresbibliographie erschien daraufhin in jedem Band der Zeitschrift.

III

Ein jüngerer Bruder von Carl Schmidt, Gustavus Schmidt, emigrierte um 1820 nach Nordamerika, wo er sich zunächst in Richmond, später jedoch in New Orleans, Louisiana, als Rechtsanwalt niederließ. Seine Verwandten in Schweden hatten...

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