Foucault und das Recht. Besprechung von: Christian Schauer, Aufforderung zum Spiel. Foucault und das Recht, Böhlau (Weimar, Köln, Wien) 2006, 383 Seiten.

AuthorThomas Biebricher
Pages20-22
20 ANCILLAIURIS(anci.ch)2007:20Rapport
MichelFoucaultselbsthatimRahmeneinesInterviews
1983seinambivalentesVerhältniszurFragedesRechtsin
folgendenWortenausgedrückt:„…Ineverstopgettinginto
theissueoflawandrightswithouttakingitasaparticular
object.“DiesespezifischeKonstellation,inwelcherdas
RechtimmerwiederimKontextandererFragestellungen
thematisiertwird,ohneselbstjemalseinedetaillierteund
systematischeErörterungzuerfahren,hatdieFoucault
RezeptionvonSeitenjuristischerDisziplinenwieder
RechtsgeschichteoderRechtssoziologievonjeherschwie
riggestaltet.Umsoerfreulicheristesjedoch,dassnunmit
ChristianSchauersDissertationeinebreitangelegteStudie
zuebenjenerThematikvorliegt.Darüberhinausverdient
Erwähnung,dassessichbeiAufforderungzumSpielumdie
erstedeutschsprachigeMonographiehandelt,diesichmit
diesemThemenkomplexauseinandersetzt.
SchauersHerangehensweisewähltalsLeitfadeneine
„chronologischemethodologischphilosophischeRekon
struktion“desFoucaultschenOeuvre.Wasdenzeitlichen
RahmenderStudieangeht,sokonzentriertsichSchauers
RekonstruktionaufVeröffentlichungenundVorlesungen
innerhalbdesZeitraumsvon1961(WahnsinnundGesell
schaft)und1975/76(ÜberwachenundStrafen).Besondere
AufmerksamkeitgewährtderAutorinseinerBetrachtung
einemderwenigennichtexplizithistorischsondernanaly
tischausgerichtetenWerkeFoucaults,derArchäologiedes
Wissens,welche1969veröffentlichtwirdundfürviele
KommentatorendenSchlussstrichunterFoucaultsmitdem
StrukturalismussympathisierendenArbeitender60erJah
rebezeichnet.SchauersiehtinderArchäologieeinoftun
terschätztesSchlüsselwerk,indemFragenbezüglichder
BedeutungvonDiskursenunddiskursivenPraktikendis
kutiertwerden,welcheFoucaultauchnachseiner„genea
logischenWende“zuBeginnder70erJahreweiterhin,
wennauchinveränderterFormbeschäftigen.Istdiezentra
lePosition,welchederAutorderArchäologiezumisst,für
diederzeitigePhasederRezeptionsgeschichteeherunge
wöhnlich,sogiltdieserstRechtfürseineAusklammerung
derWerkeundvorallemVorlesungennach1976,welchein
denletztenJahrenvonSeitenderGovernmentalityStudies
imangloamerikanischen,zunehmendaberauchim
deutschsprachigenRaumimmenseAufmerksamkeiterfah
renhaben.JedochistdieseSchwerpunktsetzungsachlich
gutbegründetundbeeinträchtigtdieQualitätderStudie
keineswegs.
SchauersrekonstruktiverAnsatzentfaltetsichanhand
vierineinandergreifenderFragestellungen.DieersteFrage
stellungbeziehtsichdemnachaufeineWerkrekonstrukti
on,welcheumeinegrundsätzlicheEinschätzungderFou
caultschenTexteinsbesondereinihrerphilosophischen
Ausrichtungbemühtist.SchauersInterpretation,aufwel
cheweiteruntenzurückzukommenist,betontden„spiele
rischen“,metaphysikkritischenundrhetorischenCharak
terderWerkeFoucaults,welchesichdaherschlechtzur
Aneignungals„autoritative“TextemitdefinitiverBedeu
tungoderalsmethodischeAnleitungzubestimmtenFor
schungsprojekteneignen.AufeinerzweitenEbeneentwi
ckeltSchauerParallellektürenvonTheoretikernund
Historikern,welchesichmitengverwandtenProblemati
kenbeschäftigenund/oderFoucaultseigeneHerangehens
weisenachweislichstarkgeprägthaben.NiklasLuhmann,
JacquesDerrida,FriedrichNietzscheundMarcelDetienne
sinddieProtagonistenjenerParallellektüren,mitderen
HilfeSchauerbestimmtenThemenkreiseninnerhalbdes
FoucaultschenWerkeseinklareresProfilzuverleihen
hofft.DiedritteInterpretationsebenewirftnunerstmals
genuinrechtlicheFragenauf,dahingehend,dassaufder
GrundlageeinerRekonstruktionvonFoucaultsDiskursbe
griffderspäten60erJahreaberaucheinigerVorlesungen
Mitteder70erJahredasVerhältniszwischenRechtundfo
rensischerPsychiatrierechtssoziologischdiskutiertwird.
ZuletztnimmtSchaueraufeinerviertenInterpretationse
beneFoucaultsAusführungeninVorlesungenamCollège
deFrancevon1970–1972zumAnlass,sichmitdessenBei
tragzurechtshistorischenFragestellungenimBereichdes
antikenRechtsauseinanderzusetzen.
ImHinblickaufdieWerkrekonstruktionlässtsich
SchauereinedurchweganspruchsvolleundoriginelleFou
caultInterpretationbescheinigen,welcheesnieanTiefe
undNuancierungfehlenlässt.DieBetonungliegtaufeiner
CharakterisierungvonFoucaultsTextenals„Aufforde
rungenzumSpiel“,diekeintheoretischmethodologisches
KorsettfürNachahmer,sondernSpieleröffnungeninder
HoffnungaufspielerischfreieErwiderungendarstellen.
FoucaultunddasRecht
Besprechungvon:ChristianSchauer,AufforderungzumSpiel.
FoucaultunddasRecht,Böhlau(Weimar,Köln,Wien)2006,383Seiten.
ThomasBiebricher

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