Verfassungsrechtliche Determinanten der öffentlichen Verwaltung in Deutschland

AuthorMichael Sachs
Pages58-68
58 JURIDICA INTERNATIONAL 21/2014
Michael Sachs
Prof. Dr.
Universität zu Köln
Verfassungsrechtliche
Determinanten der öffentlichen
Verwaltung in Deutschland*1
I. Einführung
Zum fünften Thema dieser Tagung, ,Über die Determinanten der modernen Staatsverwaltung’, könnte
man die unterschiedlichsten Dinge sagen – geschichtliche Traditionen, soziologische Gegebenheiten, poli-
tische und ökonomische Rahmenbedingungen, die zu erledigenden Aufgaben: Sie alle und weitere Fak-
toren bestimmen mit darüber, was moderne Staatsverwaltung tut und wie sie beschaffen ist. Für mich als
Juristen liegt es nahe, den Blick auf rechtliche Determinanten zu werfen; von diesen haben unbeschadet
unionsrechtlicher Ingerenzen die Vorgaben der Verfassung die größte Bedeutung. Über diese will ich Ihnen
mit Blick auf das mir vertraute Deutschland berichten und hoffe, dass dies für Sie aus rechtsvergleichender
Perspektive von Interesse ist.
Estland ist als Einheitsstaat mit gesetzlich festgelegter territorialer Verwaltungseinteilung verfasst
(§ 2 Abs. 2 der Verfassung von 1992*2); Deutschland ist demgegenüber ein Bundesstaat, der Bund mit sei-
nem ,Grundgesetz’ und die ihm als seine Gliedstaaten angehörenden Länder haben ihre je eigenen Verfas-
sungen, die als ,Determinanten’ zu berücksichtigen sind. Die öffentliche Verwaltung in Deutschland f‌i ndet
grundsätzlich auf der Ebene der Länder statt; die Landesverwaltungen führen die jeweiligen Landesgesetze,
aber prinzipiell auch die Bundesgesetze aus. Dabei hat der Bund nach Art. 84, 85 Grundgesetz (GG) unter-
schiedlich weit gehende Möglichkeiten der Aufsicht über die Länder. Eigene Verwaltung des Bundes gibt
es nur in einzeln im Grundgesetz aufgeführten Fällen. Sie ist teils nur nach Maßgabe von Bundesgesetzen
zugelassen – wie etwa bei Aufgaben der Schifffahrt in Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG –, teils verfassungsunmit-
telbar vorgeschrieben – wie etwa bei der Bundeswehrverwaltung in Art. 87b Abs. 1 Satz 1 GG. Für die Bun-
desverwaltung kommt als Determinante nur die Bundesverfassung, das Grundgesetz, in Betracht; dieses ist
in vielem aber auch für Fragen der Landesverwaltung maßgeblich, die daneben zudem von der jeweiligen
Landes verfassung determiniert wird. Insoweit besteht eine doppelte verfassungsrechtliche Determinie-
rung; im allerdings seltenen Konf‌l iktfall setzt sich die Bundesverfassung durch, denn ganz allgemein gilt
nach Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht. Daher – und weil Fragen der Bundesstaatlichkeit für
Estland wohl von geringerem Interesse sind – werde ich mich im Weiteren vor allem auf die Determinanten
aus dem Grundgesetz beziehen.
1 Für Unterstützung bei der Gestaltung der Fußnoten danke ich meinem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Thomas Blome.
2 Eesti Vabariigi põhiseadus (The Constitution of the Republic of Estonia). – RT 1992, 26, 349 (auf Estnisch). Auf Englisch
verfügbar unter: http://www.legaltext.ee/ (30.3.2014).
http://dx.doi.org/10.12697/JI.2014.21.05

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