Vertragsfreiheit und ihre Grenzen im Ehevertragsrecht

AuthorTriin Göttig - Triin Uusen-Nacke
PositionLL.M. (Kiel), Lektorin an der Universität Tartu - Dr. iur., Richterin am Landgericht Tartu
Pages78-87
Triin Göttig Triin Uusen-Nacke
LL.M. (Kiel), Dr. iur.,
Lektorin an der Universität Tartu Richterin am Landgericht Tartu
Vertragsfreiheit
und ihre Grenzen
im Ehevertragsrecht
1. Einführung
Dem Familienrecht ist im estnischen Recht ein relativ hohes Maß an Imperativität zu eigen, so sind die
Form der Eheschließung und ihre rechtlichen Folgen gesetzlich festgelegt worden, auch sind die Rechte
und P ichten der Eltern und des Kindes vom Gesetzgeber festgelegt worden. Es handelt sich aber nicht um
ein Spezi kum des estnischen Rechts und in der juristischen Literatur wird daher der Standpunkt vertre-
ten, dass die imperativen Normen, die im Familienrecht enthalten sind, teilweise unter den Regulierungs-
bereich des öffentlichen Rechts fallen (zum Beispiel die Eheschließung und ihre rechtlichen Folgen).*1 Auch
die güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten, deren privatrechtlicher Charakter nicht angezweifelt wer-
den dürfe und welche wegen der Natur ihrer Interessen dem freien Willen der Eheleute zur Gestaltung
überlassen werden sollten, sind vom Gesetzgeber doch genau festgelegten Regeln unterworfen.
Am 1. Juli 2010 trat in Estland das neue Familiengesetz*2 (FamG) in Kraft. Die vermögensrechtlichen
Verhältnisse zwischen den Ehepartnern werden vom Kapitel vier FamG geregelt. Im Vergleich zu dem frü-
her geltenden Recht*3 haben im neuen Gesetz vor allem die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehe-
partner umfangreiche Reformen durchgemacht. Als das Wichtigste sollte die Vereinheitlichung der ver-
mögensrechtlichen Verhältnisse eingestuft werden, d. h. das FamG legt ausgehend vom Grundsatz des im
Sachenrecht überwiegenden sog. numerus clausus die Arten der vermögensrechtlichen Verhältnisse fest*4,
woraus die Ehepartner sich die nur unter im Gesetz genau festegelegten Typen geeignete auswählen kön-
nen, um ihre Vermögensbeziehungen zu regeln.*5 Neben der Auswahl der vermögensrechtlichen Verhält-
nisse (oder stattdessen) können die Ehepartner auch einen Ehevertrag abschließen. Ungeachtet der Tatsa-
che, dass es sich um den Ausdruck eines Grundprinzips des Privatrechts – der Privatautonomie – handelt:
1 E. Koch. – Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 7. Familienrecht I. 5. Au . München: C.H. Beck
2010, Einl., Rn. 41.
2 Perekonnaseadus. – RT I 2009, 60, 395; RT I, 29.12.2011, 1 (auf Estnisch). Englische Übersetzung zugänglich über die
Homepage: http://www.legaltext.ee/ (5.4.2012).
3 Perekonnaseadus (Familiengesetz). – RT I 1994, 75, 1326 (auf Estnisch). Das frühere Familiengesetz ist am 1.1.1995 in Kraft
getreten. Englische Übersetzung zugänglich auf: http://www.legaltext.ee/ (5.4.2012).
4 P. Bassenge. – Palandt. Bürgerliches Gesetzbuch. 70. Au . München: C.H. Beck 2011, Einl. § 854 Rn. 3; K. Larenz, M. Wolf.
Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. 8. Au . München: Beck 1997, § 34 Rn. 47; F. Baur, R. Stürner. Sachenrecht.
18. Au . München: Beck 2009, § 1 Rn. 10; P. Pärna. Asjaõigusseadus. Kommenteeritud väljaanne (Sachenrechtsgesetz. Kom-
mentierte Au age). Tallinn 2004, S. 33 (auf Estnisch). S. Perekonnaseaduse eelnõu (55 SE III) seletuskiri (Die Erläuterung
zu dem Entwurf des Familiengesetzes (55 SE III)). Zugänglich über die Homepage: http://www.riigikogu.ee (22.02.2010)
(auf Estnisch).
5 Perekonnaseaduse eelnõu seletuskiri (Fn. 4).
78 JURIDICA INTERNATIONAL XIX/2012

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