Juristische Zeitschriften in Russland im 19. Jahrhundert

AuthorKonstantin V. Gnitsevich, Alexey S. Kartsov, Anton D. Rudokvas
Pages45-51

Die ersten Versuche, juristische Periodika zu den Fragen der Rechtslehre und Rechtspraxis in Russland zu veröffentlichen, wurden um 1800 unternommen.

1790 erscheint die erste juristische Zeitschrift, "Das Theater des Gerichtswesens, oder die Lektüre für Richter und alle Liebhaber der Jurisprudenz, das die bemerkenswerten und merkwürdigen Prozessbeispiele, die Forschungen berühmter Rechtskönner und andere derartige Ereignisse enthält, die bilden, begeistern, zu Tugend anregen und eine nützliche und angenehme Unterhaltung anbieten" (????? ???????????, ??? ?????? ??? ????? ? ???? ????????? ?????????????, ?????????? ??????????????????? ? ?????????? ???????? ???????, ???????????? ?????????? ??????????????? ? ?????? ???? ???? ????????????, ??????? ??????????, ???????, ?????????? ? ??????????? ? ?????????? ???????? ? ???????? ?????????????). Der Herausgeber Vasilij Novikov hoffte, dass die Veröffentlichung dieser Zeitschrift zum "Anlass zu den wichtigen Erörterungen und geschichtlichen Rechtsforschungen" wird, die die einheitliche Interpretation und Anwendung der Gesetze und die Widersteuerung gegen die Missbräuche und gegen das Verdrehen ermögliche1. Novikov’s Meinung nach müsste der Richter die menschlichen Fehler ausgleichen können, damit Leute künftig weniger Straftaten begehen. So wurde diese Zeitschrift - das chronologisch erste Vorbild russischer juristischer Periodika - zum ersten Versuch in Russland, den Inhalt der Gerichtsverfahren in die Öffentlichkeit zu bringen. Hier wurden sowohl die Darlegungen der russischen und ausländischen "mitgeschwungenen" Gerichtsfälle als auch ihre Erläuterungen veröffentlicht. Dieses Periodikum entsprach en bloc dem Typ des Almanachs, der kennzeichnend für die Literatur des 18. Jahrhunderts war.

Novikov hegte einen Wunsch, dass "das Lesen dieses Buches das Kartenspiel und andere leere Zeitvertreibe ersetzen" wird. Neben den Erzählungen über die "berühmten und bemerkenswerten" Prozesse erschienen in dieser Zeitschrift gelegentlich Auszüge aus ausländischen juristischen Werken über juristische Probleme, die in Russland diskutiert wurden. So wurden die Ideen vom englischen Reformator des Strafvollzugssystems John Howard durch diese Zeitschrift popularisiert, indem Zitate aus seiner Beschreibung der englischen Gefängnisse und seine Vorschläge über ihre Neugestaltung veröffentlicht wurden. Aus der inländischen Gerichtspraxis wurden nur jene Sachen beleuchtet, in denen es erforderlich war, vor der Weisheit der Richter niederzuknien. Auf die Seiten dieser Zeitschrift lobt man die Vorzüge der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens. Die Zeitschrift glaubte, dass die habsüchtigen Richter bei der öffentlichen Rechtsprechung keine Chance haben, "ihre schändlichen Taten durch die Undurchdringlichkeit der Gerichtshöfe zu verdunkeln". Die Zeitschrift war mit Gravüren illustriert. Ihre Veröffentlichung wurde beendet, nachdem der 6. Band erschienen war2.

Nachdem Alexander I. den Thron besteigt, wächst in der russischen Gesellschaft das Interesse für Rechtswissenschaft, Gesetzkunde und für die Abhandlungen von in- und ausländischen Juristen. In Zeitungen und Zeitschriften wurden öfter Rezensionen juristischer Abhandlungen veröffentlicht. In allgemeinen Periodika entstanden besondere Abteilungen, die den Fragen der Rechtslehre und Rechtspolitik gewidmet waren. Gerade in diese Zeit gehören die ersten Versuche, eigentlich juristische Presse ins Leben zu rufen. 1800 und 1801 erschien in Moskau die "Zeitschrift für Rechtswissenschaft ... oder der Inhalt der Höchsten Namenserlässe und der Erlässe des Dirigierenden Senats, die im Jahre 1796 (-1797) erschienen sind, mit der Angabe, wann sie stattgefunden, wo sie gedruckt oder welchen Behörden geschickt wurden" (?????? ???????????? ... ??? ?????????? ??????? ?????????? ? ?????????????????? ?????? ?????? ? ??????? 1796 (-1797) ???? ???????? ? ??????????, ????? ??? ??????????, ??? ??????????, ??? ? ????? ????? ???????), deren Herausgeber A. A. Plavilshikov war. I. M. Naumov hat 1813 ein "Haus der praktischen Rechtswissenschaft" gegründet, das sowohl die außergerichtlichen Streitschlichtung als auch die Sachverwaltung angeboten hatte. Gleichzeitig wurde die "Zeitschrift des Hauses der praktischen Rechtswissenschaft über den Gegenstand der Rechtsbeistandsausbildung" (?????? ???? ????????????? ???????????? ?? ???????? ??????????? ???????????) veröffentlicht. Naumov meinte, öffentliche Erklärung der Rechtssprechungsgrundlagen helfe den Prozess von der Ungerechtigkeit und dem Missbrauch zu befreien. Den Ideen der aufgeklärten Absolutismus treu, die in der "Anweisung" (?????, 1767) von Katharina II. dargelegt wurden, propagierte diese Zeitschrift die Prinzipien der europäischen Rechtsprechung. Außerdem beleuchtete diese Zeitschrift (1813-1814, Th. 1-2) die Tätigkeit des "Hauses", hier wurden auch verschiedene Probleme juristischer Art besprochen. Von 1817 bis 1819 erschien in Petersburg die "Zeitschrift der Gesetzgebung", in der die Gesetze offiziell veröffentlicht wurden.

Verschiedene Publikationen des spezifisch juristischen Inhaltes erschienen in den behördlichen Zeitschriften. Als Beispiel sei die "St. Petersburgische Zeitschrift" genannt, die in St. Petersburg von 1804 bis 1809 vom Ministerium des Innern monatlich herausgegeben wurde. Im ersten Teil dieser Ausgabe wurden die Höchsten Erlässe und Vorträge des Innenministers gedruckt. Im zweiten Teil - "Abhandlungen und Übersetzungen, welche die Verwaltung betreffen" einschließlich der Übersetzungen der Werke der ausländischen Autoren - wurden gelegentlich die Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung behandelt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die juristischen Materialen systematisch in der "Zeitschrift des Ministeriums des Innern" (?????? ???????????? ?????????? ???,1829-1861), in der "Zeitschrift des Ministeriums für Volksaufklärung" (??????? ???????????? ????????? ??????????? 1834-1917) und auch in der "Zeitschrift des Ministeriums für staatliches Vermögen" (?????? ???????????? ??????????????? ????????,1841-1864) veröffentlicht.

Öffentliche Begeisterung, die mit der Gerichtsreform von 1864 verbunden war, förderte qualitative Veränderungen auf dem Gebiet der juristischen Periodika. Erstens erhöhte sich die Bedeutung der juristischen Rubriken in der allgemeinen Presse. Diese wurden in der Regel von den berühmten Juristen, häufig von den Universitätsprofessoren geleitet. An der Spitze der Abteilung "Juristische Chronik" der größten südrussischen Zeitung "Noworossijskischer Telegraph" (?????????????? ????????), die in Odessa gedruckt wurde, stand z. B. Prof. F. Leontovich.

Zweitens wurden die juristischen Gesellschaften nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in den Provinzen gegründet, die ihre eigenen Ausgaben hatten. Diese beleuchteten wissenschaftliche Diskussionen und Referate, die den Fragen des Staats und des Rechts gewidmet waren, ebenso wurde die juristische Praxis besprochen3. Drittens war es eine Blütezeit für die spezifisch juristischen Periodika.

Die Gerichtsstatuten von 1864 enthielten den Satz, dass entweder beim Fehlen oder bei Widersprüchen oder Unklarheiten der Gesetzesvorschrift notwendig sei, die Gerichtssachen auf Grund des allgemeinen Sinnes der Gesetzgebung zu entscheiden. Das war ein Stimulus für die Studien über das geltende Recht. "Die besonderen Gegebenheiten, die in Russland für die Rechtslehre und Rechtspraxis bestehen, haben für uns zur wichtigen Frage die der Überlegenheit des wissenschaftlichen Wissens über das angewandtes gemacht", - hat darüber A. N. Stojanov 1879 geschrieben4. Das Wachstum der Autorität der wissenschaftlichen Jurisprudenz unter den Juristen-Praktikern als Nebenergebnis der Gerichtsreform gab den fühlbaren Anstoß zum Anstieg der Nachfrage nach der juristischen Literatur. K. K. Dynovskij betonte, dass die Gerichtsstatuten diese gleichzeitig die Richterselbständigkeit und die Schaffenskraft der Jurisprudenz anerkennend ins Leben gerufen haben. Einen Anspruch auf theoretische Ausbildung der meisten Gerichtsbeamten erhebend, sei Gesetzgeber bewusst, dass solche Ausbildung in der Schulung bestehe, die für die erfolgreiche Ausübung von praktischen Aufgaben notwendig sei, und dass die juristische Ausbildung die beste Garantie der rationellen, methodischen, planmäßigen Arbeit sei, zu deren Grundlagen die festen Leitsätze, aber keine Starrheit, keine Irrfahrt, keine Zufälligkeit gehören müssen. Der Rechtsunterricht und die juristische Literatur haben neue Aufgaben bekommen: die Theorie habe den Zweck, die Anweisungen auszuarbeiten und zur Leiterin der praktischen Jurisprudenz zu werden, dieser eine wissenschaftliche Methode zu übergeben, zu zeigen, auf welche Weise es in der Praxis notwendig ist, die wissenschaftlichen Aufgaben zu stellen und die Wege der Lösungen für diese zu finden5.

Das war eine Ursache, warum die Anzahl der juristischen Zeitschriften abonnierenden Rechtspraktiker zugenommen hat. 1859 begann die "Zeitschrift des Justizministeriums" (??????...

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